Stadtentwicklung ohne Wachstum : zur Praxis kommunaler Siedlungsflächenentwicklung ; empirische Befunde und Folgerungen zu Steuerungsverständnissen und -formen öffentlicher Akteure

  • Urban development without growth : today’s practice ; local government and land use

Klemme, Marion; Selle, Klaus (Thesis advisor)

Aachen : Publikationsserver der RWTH Aachen University (2009)
Doktorarbeit

In: PT_Materialien 24
Seite(n)/Artikel-Nr.: VIII, 299 S. : zahlr. Ill., graph. Darst., Kt.

Aachen, Techn. Hochsch., Diss., 2009

Kurzfassung

"Stadtentwicklung ohne Wachstum" - aufgrund von Bevölkerungsverlusten, Strukturwandel und Wirtschaftskrisen sehen sich zahlreiche Städte mit Problemen wie Leerständen, baulichem Verfall, Funktionsverlusten, Abwanderung etc. konfrontiert. Die Dissertation befasst sich mit der Frage, wie sich Steuerungsformen und -verständnisse öffentlicher Akteure in der Siedlungsflächenentwicklung unter Bedingungen des demographischen Wandels verhalten. Ein zentrales Ziel ist es, Erkenntnisse zur aktuellen kommunalen Steuerungspraxis in "Schrumpfungsräumen" zu gewinnen - fokussiert auf die Frage: Wo werden welche Wohnbauflächen wie entwickelt und warum? Dabei werden die komplexen Planungs- und Politikkontexte und somit auch Rückkopplungen zwischen verschiedenen Rahmenbedingungen, die Abhängigkeiten und das Zusammenspiel relevanter kommunaler Handlungsfelder sowie raumwirksamer Akteure berücksichtigt. Basierend auf einer Literaturauswertung werden die wesentlichen Ausgangspunkte für die Untersuchung zusammengetragen: Dargestellt werden die grundlegenden Rahmenbedingungen des "Nicht-Wachstums", die baulich-räumlichen Folgen in Schrumpfungsstädten sowie der daraus resultierende Handlungsbedarf. Daran anschließend wird die aktuelle Steuerungspraxis in Schrumpfungsräumen betrachtet. Die Gegenüberstellung von "Soll-" und "Ist"-Zustand lässt eine Diskrepanz zwischen den Handlungsanforderungen, also der normativ erwünschten Steuerung, und dem realen Verhalten erkennen. In einem weiteren Schritt wird nach Erklärungen für diese Abweichungen gesucht. Der Blick richtet sich dabei auf die Problemwahrnehmung und das Aufgabenverständnis öffentlicher Akteure, auf deren Ziele, Motive und Orientierungen, auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen und Instrumente sowie auf das Zusammenspiel der Akteure. Aus dieser Betrachtung resultieren Hypothesen zum Steuerungsverhalten öffentlicher Akteure in Schrumpfungsräumen, die anhand von umfassenden Fallstudien in sieben Kommunen aus Ost- und Westdeutschland empirisch überprüft werden. Ausgewählt wurden Städte mit unterschiedlichen demographischen Verläufen und Prognosen: Arnsberg, Essen, Fürstenwalde/Spree, Halle (Saale), Hilden, Schwerin und Sankt Augustin. Die Untersuchung stützt sich auf die Auswertung von Materialien zu den Kommunen sowie auf Experteninterviews mit lokalen Akteuren aus Verwaltung, Politik, Wohnungswirtschaft etc. Die Fallstudien werden einzeln und im Querschnitt ausgewertet. Anschließend werden die Hypothesen anhand der empirischen Befunde geprüft. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auch in Kommunen mit stagnierenden oder sinkenden Bevölkerungszahlen, anhaltenden Struktur- und Wirtschaftsproblemen sowie angespannter Haushaltslage Freiflächen für neue Wohnbaugebiete genutzt werden. Demographische Veränderungen sowie nationale Flächensparziele (30-ha-Ziel) scheinen bei den Entscheidungen und Vorgehensweisen weniger zum Tragen zu kommen. Vielmehr zeichnet sich ab, dass die Ausrichtung auf Wachstum und der (interkommunale) Wettbewerb um Einwohner und Arbeitsplätze für die öffentlichen Akteure handlungsleitend sind. Im Fokus steht dabei (weiterhin) die Bereitstellung von Flächen für Einfamilienhäuser. In stark schrumpfenden Städten kommen Stadtumbaumaßnahmen hinzu - diese ersetzen etablierte Verhaltensweisen (wie Siedlungsflächenexpansion) allerdings nicht, sondern ergänzen sie vielmehr. Darüber hinaus ist eine Vielfalt an Steuerungsformen zu erkennen: Auch bei teils ähnlichen Aufgaben und Rahmenbedingungen werden verschiedenartige Instrumente und Arbeitsweisen in der Siedlungsentwicklung eingesetzt - in Abhängigkeit von den lokalspezifischen Gegebenheiten wie Akteurskonstellationen, Flächenverfügbarkeiten, etablierten Routinen, Mentalitäten etc. Zentral sind die Interessen, Ressourcen und Möglichkeiten der einzelnen Akteure. Die Entwicklung von Siedlungsflächen ist nicht als alleiniges Ergebnis politisch-administrativen Handelns, sondern als Resultat der Präferenzen vieler raumwirksamer Akteure anzusehen. Die Arbeit wird mit Folgerungen zur kommunalen Steuerungspraxis und weiterführenden Forschungsfragen abgeschlossen. Die Befunde legen dar, dass demographische Veränderungen nicht deterministisch hinsichtlich des Steuerungsverhaltens öffentlicher Akteure in der Siedlungsflächenentwicklung sind. Die Rahmenbedingungen werden vielmehr selektiv wahrgenommen und interpretiert. Sichtbar wird eine hohe Beständigkeit gängiger Steuerungsweisen. Ein grundlegender Richtungswechsel zeichnet sich derzeit nicht ab, Wachstumsorientierung und -hoffnung scheinen ungebrochen.

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